Die Fachtagung «Kommunale Energiestrategien» versammelte 30 Teilnehmende im Berner Generationenhaus und zeigte, wie die Energiewende auf Gemeindeebene funktionieren kann. Fazit: Gemeinden müssen Akteure zusammenbringen. Community Building und der frühzeitige Einbezug der Stakeholder sind wichtiger als technische Aspekte und Normen. Gerade bei 2000-Watt-Arealen ist Partizipation ein wesentlicher Faktor, um Energieeffizienz nicht nur in der Konzeption, sondern auch im Betrieb von Siedlungen zu sichern.
Am 21. Mai 2017 haben die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger das revidierte Energiegesetz angenommen. Es hat zum Ziel, den Energieverbrauch zu senken, die Energieeffizienz zu erhöhen und erneuerbare Energien zu fördern. Die Umsetzung erfolgt auf Ebene der Regionen, Gemeinden und Quartiere.
2000-Watt-Areal
Wie das möglich ist, zeigten Experten an der Fachtagung «Kommunale Energiestrategien» vom 19. Oktober 2017 in Bern. Heinrich Gugerli, Programmleiter 2000-Watt-Areal, zeigte den Teilnehmenden, dass ein zertifiziertes Areal mehr ist als die Summe seiner Häuser: Bei der Siedlung spielen Aspekte wie Verdichtung, Versorgung und Vernetzung ebenso eine Rolle wie Lebenszyklus und Gesamtenergiebilanz, also auch Mobilität und graue Energie. Merkmale der bisherigen Pilotprojekte sind eine optimierte Erstellungsenergie, der weitgehende Verzicht auf fossile Energie, 100% erneuerbare Stromversorgung (z.T. durch eigene Photovoltaik-Anlagen), Autofreiheit und ihre Lage in der Kernstadt.
Nachhaltige Quartiere
Martin Bolliger, Projektmanager am BKW-Technologiezentrum, zeigte am Beispiel der Gemeinde Wohlen/BE auf, wie ein Energieversorger die Errichtung nachhaltiger Quartiere begleiten kann: Wichtig ist ein frühzeitiger Einbezug und gemeinsames Denken und Handeln von Gemeinde-behörden, Liegenschaftsbesitzern und dem Energieversorger. Die Herausforderung der Zukunft liegt darin, durch Senkung der Investitionskosten mehr Solarstrom zu erzeugen. Durch ein Netz-Informationssystem können Hausbesitzer, die eine PV-Anlage realisieren wollen, heute optimal betreut werden. Die Vision von Martin Bolliger ist die Realisierung von Plusenergie-Arealen, wobei den Gemeinden die Aufgabe zufällt, die Bauherren zusammenzubringen
Building Information Modelling (BIM)
Frank Thesseling, Architekt und Dozent für Digitalisierung an der Hochschule Luzern, verdeutlichte die Chancen des digitalen Wandels bei der Realisierung von energieeffizienten Gebäuden. Durch «Building Information Modelling» (BIM) können Bauten dank softwaregestützten Simulationen effizient und kostengünstig geplant und realisiert werden. Anhand konkreter Beispiele wie der Planung des V-Zug-Areals zeigte er auf, wie bei der Überbauung grösserer Areale mit Wohn- und Gewerbenutzung Synergien genutzt und dank Multi-Energy-Grids überschüssige Energie gespeichert und in verschiedene Energieträger umgewandelt werden kann.
Leuchtturmprojekt Sinfonia
Stephan Juen, Smart-City-Berater aus Innsbruck, erläuterte am Beispiel des Leuchtturmprojekts Sinfonia, wie Smart Cities mit frühzeitiger Strategieformulierung und aktivem Stakeholder-Management zur Energiewende beitragen. Die Smart-City-Rahmenstrategie der Stadt Wien verbindet bestmögliche Lebensqualität erfolgreich mit Schonung der Ressourcen und Innovation. Anschauliches Beispiel ist die Seestadt Wien Aspern, eines der grössten Stadtentwicklungs-gebiete Europas. Bis 2028 entsteht im Nordosten Wiens eine Stadt mit hochwertigem, nachhaltig geplanten Wohnraum für mehr als 20’000 Menschen.
Kommunale Energieplanung
Raumplaner Bruno Hoesli von der Firma Planar zeigte auf, welchen Beitrag eine kommunale Energieplanung zur effizienten Nutzung von Abwärme und erneuerbaren Energieträgern leisten kann. Zwar liegt die Vision einer 2000-Watt-Gesellschaft noch in weiter Ferne, das Zwischenziel einer 4000-Watt-Gesellschaft könnte immerhin bis 2035 erreicht werden. Dazu braucht es grosse Anstrengungen und eine optimale Zusammenarbeit zwischen Energiedienstleistern und Gemeinden mit einer klaren Regelung der Rechte und Pflichten. Energierichtlinien sollten nicht nur den Betrieb, sondern auch die Mobilität und den Energieverbrauch bei der Erstellung neuer Gebäude berücksichtigen.
Spiel Energie Wil
Stefan Grötzinger, Energiebeauftragter der Stadt Wil (SG), zeigte den Teilnehmenden schliesslich, dass Energiesparen weder trocken noch humorlos sein muss.
Mit der Dachmarke «Spiel Energie» versteht es die Stadt Wil, die Menschen für die Energieziele zu motivieren und ihnen positive Erlebnisse zu vermitteln. Die Initiative «Spiel Energie», die zusammen mit den Technischen Betrieben Wil und lokalen Schulen entstanden ist, wurde 2016 vom Bundesamt für Energie zum «Schweizer Leuchtturmprojekt» gekürt. Die Idee: Wiler Kinder holen von prominenten Bürgerinnen und Bürgern Energie-Versprechen ab, die von einem Illustrator in Bilder übersetzt werden. Am Wiler Spielfest können die Besucherinnen und Besucher die Resultate der Sammelaktion begutachten und sich für das eigene energiesparende Handeln inspirieren lassen.
Das abschliessende Panelgespräch der Fachtagung zeigte, dass strategische Planung, gute gesetzliche Rahmenbedingungen und Innovation wichtige Erfolgsfaktoren für die Energiewende bilden, der Faktor Mensch aber entscheidend ist für die Umsetzung energieeffizienter Gebäude, Areale und Quartiere. Die Gemeinden haben eine wichtige Aufgabe beim Community Building: Der frühzeitige Einbezug der Stakeholder ist wichtiger als technische Aspekte und Normen. Gerade bei 2000-Watt-Arealen ist Partizipation ein wesentlicher Faktor, um Energieeffizienz nicht nur bei Konzeption und Erstellung, sondern auch im Betrieb von Siedlungen zu sichern.